Der nachfolgende Artikel erläutert die Bestandteile und die Funktionsweise des Earned Value Managements (EVM). Er wurde im Rahmen einer Übung im Fach Internationales Projektmanagement an der FH Zweibrücken erstellt. Dieser Beitrag soll eine Hilfestellung zur Entscheidung leisten, ob das EVM für ein hypothetisches kleines mittelständiges Unternehmen, in dem bisher kein EVM eingesetzt wurde, geeignet ist.
Allgemein
Das Earned Value Management ist eine Methode für Auftraggeber und Projektleiter um permanent den Projektfortschritt zu messen. Dabei werden die aktuellen Kosten, Termine und der technischer Fortschritt visualisiert. Oftmals wird das Earned Value Management (EVM) mit der Earned Value Analyse (EVA) gleichgesetzt, dabei ist die EVA nur ein Bestandteil des EVM. Der nachfolgende Artikel geht auf die einzelnen Aspekte des Earned Value Managements ein.[2]
Beschreibung
Das Earned Value Management lässt sich in drei Bereiche untergliedern:
Earned Value Management System – EVMS
Das Earned Value Management System (EVMS) ist eine spezialisierte Hard- und/oder Software, die das EVM unterstützt. Ein Beispiele hierfür wären eine Stechuhr zur Zeiterfassung oder Microsoft Project das z.B. die Erstellung der WBS erleichtert. Das EVM lässt sich auch ohne spezielle Software anwenden. Viele Anwendungen erleichtern allerdings durch automatisierte Prozesse (Verwaltung des Projektes, Erstellung der WBS, Berechnung der Kennzahlen etc.) das EVM und steigert somit die Produktivität.
Earned Value Management – EVM
Das EVM steuert durch ständige Beobachtungen der aktuellen Kennwerte das Projekt. Anhand dieser Beobachtungen können Trends, wie z.B höhere Kosten als geplant oder eine stark variierende EV, schnell und einfach erkannt und mit den entsprechenden Mitteln drauf reagiert werden. Die entsprechenden Richtlinien werden von der Norm ANSI/EIA-748 vorgegeben. Diese enthält unter anderem die genaue Definition der Kennzahlen. Somit ist eine einheitliche internationale Projektkommunikation gewehrleistet.
Earned Value Analyse – EVA
Bei der Earned Value Analyse werden folgende Kennwerte ermittelt:
- Plankosten (PV) geplanter Kostenverlauf des Projektes zu Beginn des Projektes
- Istkosten (AC) aktueller Kostenverlauf
- Leistungswert (EV) EV = Projektbuget * prozentualer Arbeitsfortschritt
- Planabweichung (SV) SV = EV – PV
- Kostenabweichung (CV) CV = EV – AC
- Zeiteffizenz (SPI) SPI = EV / PC
- Kosteneffizenz (CPI) CPI = EV / AC [4]
Die folgende Grafik zeigt die oben beschriebenen Werte. Da die aktuellen Kosten höher sind als die Geplanten und der Earned Value niedriger als die Plankosten ist, nimmt dieses Projekt einen negativen Verlauf. Zu diesem Zeitpunkt können eventuell noch rechtzeitig rettende Maßnahmen ergriffen werden.
Als Grundlage zur Ermittlung des Arbeitsfortschrittes dient der Projektstrukturplan (WBS, Workbreak down structure).
Die EVA liefert mehrere Kennzahlen. Erst durch das EVM kann anhand der Kennzahlen eine aussagekräftige Schlussfolgerung gezogen werden. Durch dieses können gezielte Lenkungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Nutzen
- simultane Messung aller drei Dimensionen des magischen Dreiecks (cost, scope, time).
- Voraussagen über den voraussichtlichen Termin und den voraussichtlichen Aufwand am Ende des Projekts
- frühe Erkennung von Fehlern und Abweichungen in der Planung
- konkrete Maßeinheiten -> € ; $ ; Arbeitsstunden
- Projekte unterschiedlicher Größe miteinander vergleichbar
Schulung / Zertifizierung
Das Institut “EVMi® Earned Value Management Institute” bietet Zertifizierungen zum “EVMP® Earned Value Management Professional®”. Die Kosten belaufen sich um ca. 3.500$. Des Weiteren werden viele Schulungen und Kurse zum fundamentalen Wissen des EVM angeboten, hierbei sind die Kosten dementsprechend geringer (ca. 1500$). (Stand Oktober 2012) [6] [1]
Anforderungen / Infrastruktur
- gut strukturiertes Projekt mit WBS und Plankosten
- eine ausführliche Zeiterfassung zur präziseren Ermittlung der EV
- unterstützende Software (optional) (siehe EVMS)
Standard / Verbreitung
Das EVM ist in der amerikanischen Norm ANSI/EIA-748 festgehalten.
Das EVM ist stark in den Vereinigten Staaten verbreitet. In Europa ist das EVM noch nicht weit verbreitet, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. [11]
Das EVM kann auch in agilen Projekten eingesetzt werden. Auch wenn am Projektanfang nicht der genaue Projektverlauf (in allen Details) festgelegt ist kann unter Berücksichtigung von diversen Korrekturfaktoren EVM angewandt werden. Außerdem ist es möglich ein “Mini-EVM” bei jedem Sprint anzuwenden (siehe “Sprint Burndown Chart”). [9][10]
Support / Weiterentwicklung
Der Standard hat schon mehrere Akutalisierungszyklen hinter sich. Zuletzt wurde in das PMBOK® des PMI neue Bezeichnungen eingetragen, sodass es einen internationalen Standard gibt.
Empfehlung
Der Einsatz von EVM in Projekten ist generell von Vorteil. Es ist eine einfache und günstige Methode zur Projektüberwachung. Allerdings ist es keine Garantie zum Projekterfolg. Auch wenn Planabweichungen frühzeitig erkannt werden, kann das Projekt trotzdem fehlschlagen.
Darüberhinaus bietet das EVM eine Grundlage, um Projekte miteinander zu vergleichen.
Weiterführende Literatur
- Fleming, Koppelman: Earned value project management. ISBN 1-88041-027-3
- Wanner: Earned Value Management so machen Sie Ihr Projektcontrolling noch effektiver. ISBN: 3837006573
- ANSI/EIA-748
Folien zum Vortrag
Quellen:
- [1] http://www.evmi.com/evmi-certification-evmp-earned-value-management-professional-evm-certification-training (11-2012)
- [2] http://pm-evm.blogspot.de/2009/07/die-verschiedenen-earned-value.html (11-2012)
- [3] http://pm-evm.blogspot.de/search/label/ANSI%2FEIA-748 (11-2012)
- [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Earned_Value_Analysis (11-2012)
- [5] http://www.evmi.org/ (11-2012)
- [6] http://www.evmi.com/evmi-earned-value-management-evm-fundamentals (11-2012)
- [7] http://de.slideshare.net/anandsubramaniam/earned-value-management-1784592 (11-2012)
- [8] http://www.springerlink.com/content/f6m4q76132003171/ (11-2012)
- [9] http://itknowledgeexchange.techtarget.com/software-quality/earned-value-management-relevance-in-software-test-projects/ (11-2012)
- [10] http://www.zuehlke.com/uploads/tx_zepublications/235_ix_Kostensprung_sba_web.pdf (11-2012)
- [11] http://procurement.citsolutions.edu.au/Clients/DOGPM/documentation/Earned_Value.pdf (11-2012)
Autor : Benjamin Havermans, Julia Hans
at 08:35
Hallo,
Wie würdet ihr den Nutzwert von EVM in einem Projekt einschätzen? Meiner Meinung nach Lenken solche Analysen meistens vom eigentlichen Ziel des Projektes ab und steigern die Kosten durch zusätzliche Arbeit.
at 12:37
Hallo Fabian,
mit “zusätzliche Arbeit” meinst Du vermutlich den Arbeitsaufwand für Schätzung (Planned Value) und Messung (Earned Value) je task?
In der Tat wirkt der Aufwand bei kleineren, studentischen Projekten für die Schätzung hoch – da hier noch die Übung fehlt. Häufig kann man in realen Unernehmen auch auf historische Werte vergleichbarer Arbeiten zugreifen.
Die Erfassung des Earned Value läßt sich sehr einfach in das Tagesgeschäft integrieren: Ab Arbeitsbeginn für eine Task werden fixe Prozentzahlen verbucht (bspw. 50% EV, auch wenn die erst in ein, zwei Tagen erreicht sein werden).
Am Ende einer Task werden die vollen 100% EV verbucht (auch wenn dadurch ein, zwei Tage hier zu wenig EV gemeldet wurde). Im statistischem Mittel über viele, etwa gleich große tasks funktioniert das prima. Und das “Berichtswesen” (Team an Projektmanager) ist nun trival: “ich habe task x angefangen” und “ich habe task x fertig”.
Voila.
Ach ja: der Nutzwert von CV und SV sind hoch, auch politisch. Beispiel: Du leitest ein Projekt in einem Matrix-basierten Unternehmen. Dir werden zu wenig Resourcen bereitgestellt, Dein SV ist negativ. Dies kannst Du prima belegen, denn Dein CV ist neutral… und so mehr Druck für Deine Forderungen machen 😎