Screenshot von scrum-day.de

Welches waren die wichtigsten Trends in diesem Jahr?

  • Agile Transition
  • Coaching
  • Integration von Scrum im Unternehmen
  • Skalierung von Scrum

Was war besonders am Scrum Day 2017?

Mit 55 Fachvorträgen, 4 Keynotes, einer Podiumsdiskussion und einem umfangreichen Rahmenprogramm ist es der größte und meistbesuchte Scrum Day seit seinem 10 jährigem Bestehen. Interessante Vorträge und Workshops befassten sich mit aktuellen Themen zur Anwendung und Verbesserung von Scrum sowie unterstützender Methoden.
Jeff Patton diskutierte z.B., dass nicht genutzte Features meist erst nach Produktrelease auffallen, man Entwick-ler in Benutzerbefragungen mit einbeziehen sollte, und dass zyklisch durchgeführte Spikes zur Eliminierung von überflüssigen Features genutzt werden könnten. Durch den Einsatz von Papier, Stift und einer Kamera, konnte er sehr überzeugen, indem er seine komplette Diskussion via Story Mapping untermalte (Videolink: http://www.scrum-day. de/home/keynote-speaker.html#patton).
Daniel Mezick sprach typische Probleme bei der Anwendung von Scrum an und machte auf deren Ursachen aufmerksam, allen voran fehlende Befugnisse sowie die Bereitschaft Entscheidungen zu fällen und damit Verantwortung zu übernehmen. Für die agile Transformation empfiehlt er ’OpenSpace Agility’ (Videolink: http://www.scrum-day.de/home/keynote-speaker. html#mezick).
Dave West sprach über das Thema Skalierung durch Teams of Teams (Nexus) und warnte davor, Scrum-Teams in hierarchischen Unternehmensstrukturen zu verankern, sondern stattdessen die Teams in Ihrer Selbstorganisation zu unterstützen, um diese so vor dem ’traditionellen Unternehmen’ zu schützen. Auch ich bin der Ansicht, dass in vielen Unternehmen organisatorische Hindernisse die agilen Teams ausbremsen (Videolink: http://www.scrum-day.de/home/keynote-speaker. html#west).
Jeff Sutherland zeigte anhand erfolgreicher Beispiele (3M, BMW, GE, Saab, Tesla, Toyota, …), dass Scrum zukünftig nicht mehr auf einzelne Teams beschränkt sein wird, sondern inklusive des Managements, komplette Unternehmen auf Scrum aufbauen werden. Dies klingt sehr interessant und würde auch die durch Mezick und West angesprochenen Hindernisse beseitigen (Videolink: http://www.scrum-day.de/home/keynote-speaker.html#sutherland).

Aktuell hört man immer öfter von einem ’Agile Coach’; was ist das und gab es dazu Informationen auf dem Kongress?

Ein Agile Coach ist nicht innerhalb des Scrum Teams involviert und kann daher unabhängig vom Projektgeschehen agieren. Seine Aufgaben sind das Coaching von Einzelpersonen, Teams und Unternehmen in agilen Vorgehensweisen. Ein Scrum Master agiert von Zeit zu Zeit als Coach, die meiste Zeit unterstützt er allerdings das Team als ’Facilitator’ bei der Anwendung des Scrum Prozesses und überwacht diesen.
Auf dem Kongress gab es einen sehenswerten Vortrag von Christian Richter und Glenn Lamming, mit dem Titel ’Coach den Coach – welches Coaching braucht der Coach?’, bei dem auch eine Coachingsession demonstriert wurde. Der Coach hilft hierbei seinem Coachee, ähnlich einem Psychologen, seine Probleme zu reflektieren um daraus Erkenntnisse zu gewinnen um diese zu lösen. Besonders informativ war auch der Beitrag von Nils Bernert und Thomas Jäger ’Coaching Dojo’, angelehnt an das eher bekannte ’Coding Dojo’ (http://codingdojo.org), bei dem man im Selbstversuch das Dojo-Format ausprobieren konnte, zum Training der eigenen Coachingfähigkeiten. Dabei wird eine Coaching-Session durchgeführt, bei der ein Beobachter die Vorgehensweisen des Coach beobachtet, um diesem Feedback zu dessen Handlungsweise zu geben.

Was haben Psychologen mit Scrum zu tun?

Der Grundsatz ’Individuals and interactions over processes and tools’ aus dem agilen Manifest macht deutlich, wie wichtig die einzelnen Menschen und deren Interaktionen innerhalb des Teams sind. Um diese besser verstehen und einschätzen zu können, sowie zu verbessern, eignen sich Methoden aus der Psychologie. Dazu vermittelte der Vortrag von Kristina Müller ’Psychologie für Non-Psychos’ Grundlagen zum Thema Motivation, Lernebenen und zu kontextspezifischen Fähigkeiten. Sehr lehrreich war der interaktive Vortrag von Florian Engel und Jens Donig zum Thema ’Supervision – mit Schwarmintelligenz zu neuen Handlungsoptionen’ bei dem, durch das Publikum, ein praktisches Problem eines Scrum Masters analysiert wurde, um diesem aus einer festgefahrenen Situation mit seinem Team zu helfen, z.B. bei fehlender Akzeptanz des Entwicklungsteams gegenüber dem Produkt Owner.

Stirbt mit Scrum der Beruf des Softwarearchitekten?

Thorsten Maier und Falk Sippach zeigten in ihrem Vortrag ’Agile Architektur’, dass der Einsatz eines Softwarearchitekten in umfangreichen Projekten sehr wohl sinnvoll sein kann. Dabei sollte zu Beginn des Projekts auf Basis der überprüfbaren, nicht-funktionalen Anforderungen eine grundlegende Architektur entwickelt werden. Während des Projekts verfolgt der Architekt dann die Entwicklungen des Teams, bewertet und dokumentiert diese und kümmert sich um notwendige Verbesserungen, die wiederum durch ’Architectural Refactoring’ (http://lattix.com/blog/2017/04/14/architectural-refactoring) durch das Team einfließen. Der Ansatz, die Architektur iterativ zu entwickeln und fortwährend zu überprüfen klingt für mich plausibel und kann die Qualität speziell umfangreicherer Softwareprojekte enorm verbessern. Auf der anderen Seite wird das ’KISS principle’ verletzt und damit auch der Vorteil, möglichst schnell brauchbare Ergebnisse zu liefern. In Scrum selbst ist kein Architekt bzw. Architecture Owner, wie z.B. bei APM (Literaturempfehlung zu APM: https://www.dpunkt.de/buecher/11891/9783864902116-apm—agiles-projektmanagement.html), vorgesehen. Daher wäre die Frage, für eine strikte Auslegung von Scrum, wohl mit ja zu beantworten.

Ist der Scrum Day speziell auf IT-Unternehmen ausgerichtet?

Nein, Scrum verbreitet sich derzeit in den verschiedensten Unternehmen. Dr. Martin Burger zusammen mit Jochen Dinter hielten z.B. einen sehr interessanten Vortrag mit dem Thema ’Scrum-Einführung- ein Erfolgsrezept’ in welchem sie ihre Erfahrungen präsentierten, wie Scrum bei dem Versicherungsunternehmen CosmosDirekt eingeführt wurde und gaben essentielle Hinweise für die erfolgreiche Umsetzung.

Scrum wird ja für Teams von bis zu neun Personen empfohlen, gab es Informationen wie Scrum für große Projekte und Unternehmen eingesetzt und skaliert werden kann?

Ja, es gab Vorträge zur agilen Transition, bei denen es um die strukturelle Umstellung des Unternehmens ging, weg von statischen und unflexiblen Strukturen, zu einer agilen Organisation. Das Thema Skalierung von Scrum wurde sowohl in der Keynote von Jeff Sutherland mit Blick auf Nexus, als auch in verschiedenen Vorträgen eingegangen, wie z.B. ’Scrum professionell skalieren – warum mit Nexus?’ von Marion Gakstatter und Felix Schad und ’Einführung von skalierter agiler Entwicklung in der Embedded …’ von Nils Bernert.

Hat sich der Besuch des Scrum Day 2017 gelohnt?

Durch die ansprechenden Vorträge und dem ungezwungenen Austausch mit anderen Teilnehmern profitierte man als Besucher von deren Erfahrungen und konnte die eigenen wiederum weitergeben. Die Auswahl der zu besuchenden Vorträge viel nicht immer leicht, da bis zu sechs parallel stattfanden. Leider waren die Veranstaltungen jeweils auf 40 Minuten beschränkt, sodass die Referenten sich oft kurzfassen mussten. Die FILharmonie in Filderstadt war sehr gut für den Scrum Day geeignet, aufgrund der Teilnehmerzahlen am zweiten Tag waren einige Räume allerdings etwas überfüllt.

Zum Autor:

Axel Schöner ist zertifizierter Scrum Master (PSM I) und hat im Rahmen seiner Tätigkeit (Forschung und Lehre) an der Hochschule Kaiserslautern mehrere Teams in den Rollen des Scrum Master oder Product Owner betreut. Seinen Abschluss, Master of Science (Informatik), hat er dort mit dem Thema ’Migrationstechniken zu Linux-Containern’ erlangt. Zu seinem technischen Hintergrund interessiert er sich sehr für agile Techniken und hat Spaß daran anderen zu helfen und seine Erfahrung weiterzugeben.